Warum lieben wir Parfums, die sauber riechen?

Sauberkeit und Ordentlichkeit sind seit jeher in allen Gesellschaften geschätzte Attribute, die mit Gesundheit, Hygiene und Wohlbefinden in Verbindung gebracht werden. In der Parfümerie sind Düfte, die sauber riechen, ein Synonym für Frische und Wohlbefinden. Lassen Sie uns herausfinden, warum uns sauber riechende Parfums so faszinieren.

Es ist 10 Uhr morgens in New York und 16 Uhr nachmittags in Madrid, beides gute Tageszeiten, um sich von dem Wohlbefinden mitreißen zu lassen, das sauber duftende Parfums aus der Hand des Parfümeurs Rodrigo Flores-Roux, Vizepräsident der Parfümerie von Givaudan, erzeugen, der uns über den Bildschirm in seinem Büro begrüßt. Später wird uns Gregorio Sola, Parfümeur für Lifestyle-Marken bei Puig, helfen, Roux' kulturelle, soziologische und historische Vision dieser Düfte zu vervollständigen.


Das Gespräch über Parfums mit einem reinen Duft bringt uns dazu, über alltägliche und doch transzendente Themen nachzudenken: Krankheit, Tod und Leben, und sogar die Rolle des Parfumeurs in der Gesellschaft zu hinterfragen.


Flores-Roux sagt, dass es sein eigener Vater war, der ihm die Augen für die Magie seines Berufs geöffnet hat, "einer der nützlichsten Berufe, weil er der menschlichen Spezies hilft zu vergessen, dass sie sterben wird". Parfüm, angenehme und saubere Gerüche sind mit der Hygiene verbunden, die für das Überleben unserer Spezies unerlässlich ist.

"Aldehyde sind Moleküle, die in der Natur vorkommen. Zum Beispiel in Rose, Koriander, Ingwer und Zitronengras. Im 19. Jahrhundert begann man, sie zu synthetisieren, und 1910 wurden sie erstmals in Parfüms verwendet", erklärt der Meisterparfümeur.


Diese Moleküle haben eine große Anziehungskraft. Isoliert betrachtet können sie den Geruch von Zitronenschalen, Paraffin, Leinen und sogar den heißen, metallischen Geruch eines Bügeleisens hervorrufen. Sie erinnern auch an den Geruch von unparfümierter Seifenpaste".


Es mag überraschen, dass Chanel No. 5 in die Kategorie der sauber riechenden Parfums fällt, aber seine 1921 von Ernest Beaux kreierte Formel enthält eine Überdosis an Aldehyden, die es sofort und für immer zu einem ikonischen Duft machten.


Diese Moleküle finden sich in einer Vielzahl von Parfums mit stark seifigen Kopfnoten wie 4711 Acqua Colonia, White Linen von Estée Lauder, Neroli Portofino von Tom Ford oder This is not a Blue Bottle von Histories de Parfums. In Blanche von Byredo erkennen wir einen sauberen aldehydischen Akkord, der das Gefühl von Sauberkeit in einer Dusche wiedergibt. Und Juniper Sling von Penhaligon's kombiniert dieses Gefühl mit einer Wacholdernote und leuchtenden Zitrusfrüchten.

Flores-Roux erklärt weiter, welche Gerüche uns ein angenehmes Gefühl von Sauberkeit vermitteln: "Seit den 1950er Jahren werden Moschusmoleküle in großen Mengen in Waschmittel- und Seifenparfüms verwendet. Sie verflüchtigen sich nur langsam und sind gute Fixiermittel, insbesondere für Textilien.


Die Kombination von Aldehyden und Moschus erzeugt ein erstes Gefühl von Leichtigkeit und Frische, das in eine andere Ebene der Sauberkeit übergeht, die nach Leder und Textilien riecht.


Heute hat sich die Chemie von Moschus stark weiterentwickelt. Einige riechen leicht nach Brombeere, andere nach feuchter Erde nach Regen, wieder andere sind sinnlicher und erinnern an die Haut, sagt der Parfümeur.


Beispiele dafür sind For Her von Narciso Rodriguez, nicht zufällig ein ikonisches Parfüm von einem Modedesigner, der viel Leinen und Baumwolle verwendet, die Moschusnoten von 212 und das kosmetische, pudrige Good Girl Blush von Carolina Herrera, Valaya von Parfums de Marly, das das intime Gefühl von Baumwolle auf der Haut hervorruft, und White Musk von The Body Shop, ein moschusartiger, blumiger und holziger Duft.

Die dritte Säule eines gut riechenden Parfums sind Blumen: Orangenblüten und Lavendel. Eigentlich sollte man mehr als die Orangenblüte auf den Orangenbaum verweisen, denn in der Parfümerie werden "die Blüte, die Frucht, das Blatt und der junge Zweig" verwendet, präzisiert Rodrigo Flores-Roux.


Ätherische Öle können aus der Schale, der Frucht, der unreifen Frucht, dem Blatt, den grünen Zweigen und der Blüte (auch im grünen Zustand) gewonnen werden. Alle Produkte, die aus dem Orangenbaum für die Parfümerie gewonnen werden, enthalten Aldehyde, sagt der Parfümeur.


"Lavendel ist ein weiterer besonderer Inhaltsstoff. Er ist ein Antiseptikum. Er hilft bei der Reinigung und Desinfektion, da er Kampfer, Benzylsalicylat und andere Moleküle wie Menthol enthält, die sehr wirksame antibakterielle Mittel sind. Außerdem hat er eine entspannende Wirkung", erklärt er.


Die Tugenden des Lavendels als Reinigungsmittel sind bekannt, fährt er fort, und es ist kein Zufall, dass er mit Zitrusnoten (Zitrone, Orange, Bergamotte…) kombiniert wird.


Unter den blumigen Aldehyden gibt es großartige Parfums wie Calèche von Hermés, Madame Rochas oder Ma Griffe von Carven, die zu den Parfums der großen Modehäuser gehören. Aldehyde finden wir auch in Herrenparfüms wie Sauvage von Dior.

Gregorio Sola, Parfümeur für Lifestyle-Marken bei Puig, weist darauf hin, dass man heute zwischen zwei Arten von Parfüms mit einem sauberen Duft unterscheiden kann: Fresh & Clean und Soft & Clean.


"Bei ersterem arbeiten wir mit transparenten, leuchtenden Inhaltsstoffen und aldehydischen Noten auf Akkorden, die den Geruch eines sauberen, frisch gewaschenen weißen T-Shirts wiedergeben. Bei letzterem suchen wir nach einer transparenten Weichheit, einem Hauch von sauberer Kosmetik, bei der zarte Blumen wie Pfingstrose, Flieder und Freesie in weiche und kosmetische Akkorde gehüllt sind, die leicht pudrig, sauber und angenehm sind, um dieses Gefühl der sauberen Verführung zu vermitteln", erklärt Sola.



Warum sind sauber duftende Parfums so beliebt? Sola zufolge mögen wir immer mehr die Empfindungen von Leichtigkeit und Natur. "Das Gefühl von Frische, Behaglichkeit und Sauberkeit, integriert in blumige oder fougère Düfte, gibt uns ein zusätzliches Gefühl von Natürlichkeit, sauberer Luft und Transparenz", sagt er.


"Bei den Herrendüften gibt es eine Rückkehr zu den 1970er Jahren, aber mit Inhaltsstoffen des 21. Jahrhunderts, die Reinigungs- und Rasierakkorde mit modernen und innovativen Inhaltsstoffen kombinieren", verrät er.